Ines Weber: Sozialismus in der DDR. Alternative Gesellschaftskonzepte von Robert Havemann und Rudolf Bahro, Links. Berlin 2015, 344 S., ISBN: 978-3-86153-861-5
erschienen in: Arbeit – Bewegung – Geschichte. Zeitschrift für historische Studien, 1/2017, S. 209–2011
Auszug:
Der Titel des Buches „Sozialismus in der DDR“ klingt wie eine Selbstverständlichkeit, legitimierte sich das Land doch qua Artikel 1 seiner Verfassung als „sozialistischer Staat der Arbeiter und Bauern“. Die Staatspartei nannte sich gleichfalls „sozialistisch“, und selbst westliche Gegner bezeichneten die DDR so – wenn auch pejorativ gemeint. „Sozialismus in der DDR“ scheint also ähnlich aussagekräftig zu sein wie „Demokratie in der Bundesrepublik“. Doch genau hier liegt der Ansatzpunkt. Selbst wenn der Vergleich hinken mag und es im bürgerlichen Rechtsstaat einen besseren Schutz des Individuums gegen Willkür gibt: So, wie in vielen westlichen Ländern eine Lücke zwischen der demokratischen Selbstzuschreibung des Staates und der Realität existiert, erreichte auch der reale Sozialismus nicht die volle Umsetzung seiner theoretischen Legitimation. Und so, wie die Snowdens und Mannings unserer Tage die demokratischen Defizite bloßlegen und dafür verfolgt werden, erging es damals den systemkritischen Marxisten. Das wird schließlich im Untertitel des Buches klar: „Alternative Gesellschaftskonzepte von Robert Havemann und Rudolf Bahro“. Die zwei wohl bekanntesten SED-Kritiker der 70er-Jahre analysierten den Realsozialismus, gingen mit ihrer Kritik an die Öffentlichkeit (dafür blieb ihnen nur der Weg über den Westen) und wurden dafür drangsaliert. Den Buchtitel kann man auch dahingehend deuten, dass „Sozialismus in der DDR“ nur in den Köpfen existierte, vorrangig in jenen der Opposition …