Mit zivilem Engagement gegen Moralinsäure

Buchautor zweifelt am Nutzen des »ökologisch korrekten« Konsums

Rezension von:
Armin Grunwald: Ende einer Illusion. Warum ökologisch korrekter Konsum die Welt nicht retten kann. 128 S., oekom-Verlag, München 2012, 9,95 €.
Zuerst veröffentlich in: neues deutschland vom 13.08.2012

Die Umweltprobleme – so wird immer mal wieder appelliert – ließen sich am besten lösen, wenn die Konsumenten nur noch nachhaltig Produziertes einkaufen. Armin Grunwald erklärt in seinem neuen Buch, »Warum ökologisch korrekter Konsum die Welt nicht retten kann«.

Walfleisch essen, die Wohnung mit 100-Watt-Glühbirnen bestücken, zum Shoppen mal kurz nach New York fliegen oder Billigfleisch vom Einweggrill nur halb aufessen: Wer auch nur ein Beispiel aus dieser Liste öffentlich verteidigt, hat entweder nur Jungliberale als Freunde, oder gar keine, denn »politisch korrekter Konsum« ist hierzulande konsensfähig geworden – meint zumindest Armin Grunwald in seinem Buch »Ende einer Illusion«. Diese »political correctness« übe einen starken moralischen Druck auf die Kunden aus, dem diese oftmals nicht gewachsen seien.
Mit Ernüchterung beschreibt Grunwald eine moralinsaure Ökospießermentalität unter deutschen Konsumenten – vor allem aus dem Bildungsbürgertum -, die real kaum Erfolge bringe. Für tatsächliche Erfolge müsse dieses Thema zur Gemeinschaftsaufgabe werden, fordert der Autor.
Der mündige Bürger, der Citoyen, sei gefragt, um Druck auf Politik und Wirtschaft auszuüben. Er solle protestieren, anders wählen, sich in Initiativen organisieren oder Petitionen unterstützen und nebenbei auch möglichst nachhaltig konsumieren, denn Konsum könne auch positive Wirkungen haben, so Grunwald. Völlig vergessen wird von ihm dabei allerdings die soziale Frage.
Dem Autor kann man zudem Naivität attestieren, wenn er meint, dass eine Ökodiktatur nicht kommen werde, da sie mehrheitlich auf Ablehnung treffe. Er übersieht dabei nämlich, dass Ressourcenverknappung, Klima-Migration, der Ausbau der Festung Europa und weitere Gegenwartstrends genau diese Gefahr beinhalten, ob sie der Mehrheit nun gefallen, oder nicht.
Grunwald macht als zentrales Problem vielmehr den Zwiespalt zwischen Individuum und Kollektiv, zwischen mündigem Privatbürger und ökologischem Gemeinwohlinteresse aus und fragt dabei kurz nach den ethischen Grenzen des Liberalismus. Er meint, dass Nachhaltigkeit im Rahmen von Kapitalismus und parlamentarischer Demokratie möglich sei. Dazu bedürfe es jedoch mehrerer Anstrengungen: Die Politik solle mehr Anreize und Gesetze für nachhaltigen Konsum schaffen. Dazu sei Druck der Bürger nötig, um Lobbyinteressen und Massenmedien zu übertönen. Grunwald glaubt an die mündigen Bürger, die sich auch für kurzfristige Einschränkungen einsetzen, wenn sie sich langfristig positiv für sie auswirken.
Alles in Allem ist das Buch ein idealistisches Plädoyer für zivilgesellschaftliches Engagement. Man kann sich nicht entscheiden, ob es eher von Verzweiflung, Realismus oder kindlichem Optimismus zeugt. Dieses Urteil bleibt dem Leser als kritischem Bürger und Konsumenten des Buches überlassen.