Die Wahrnehmung von „Kommunismus ohne Wachstum?“ in Ost und West

in: Andreas Heyer (Hrsg.): Wolfgang Harich in den Kämpfen seiner Zeit
Laika Verlag 2016, S. 191-218

Aus der Einleitung:

„Harichs ökoutopisches Buch, eine Zusammenstellung von Interviews mit und einem Brief an Freimut Duve, erschien 1975 im Rowohlt-Verlag. Obwohl der Autor drängte, scheuten sich die Verantwortlichen in der SED vor der Veröf- fentlichung des Buches in der DDR. Harichs Wachstumskritik richtete sich schließlich auch direkt gegen die Industriepolitik der SED, gegen deren Bestre- ben, das westliche Konsumniveau ebenfalls im Realsozialismus zu erreichen. Kommunismus ohne Wachstum? wurde folglich in der DDR nicht angeboten – es galt aber zugleich auch nicht als absolute »Giftschrank«-Lektüre, wie es beispielsweise bei Rudolf Bahros Die Alternative der Fall war. D. h., das Buch war zwar nicht zugänglich – es war aber auch nicht unmöglich, darüber zu diskutieren oder es zumindest negativ zu kritisieren. Von Harichs Utopie ging schließlich längst nicht so viel Gefahr für die Herrschenden aus, war das darin entworfene asketische Gesellschaftsmodell doch für einen Großteil der Bevöl- kerung unattraktiv. Da zudem die Systemkritik recht kurz kam – im Gegenteil, Harich war seit 1957 stets bemüht, nicht für einen Dissidenten gehalten zu werden –, wurde das Buch nicht zur »Bibel« von Oppositionellen.“