Das Tina-Prinzip ist tot

Neue Publikation zeigt, dass sozialökologische Alternativen machbar sind

Rezension zu:
Frank Adler, Detlef Bimboes, Hans Thie: Rote Projekte für den grünen Umbau
Zuerst erschienen in: neues deutschland vom 19.10.2011

Die Britische Premierministerin Margaret Thatcher betete in den 1980er Jahren Mantra artig das Dogma wieder, dass es keine Alternative zu Privatisierungen und mehr Markt gebe. Dieses TINA-Prinzip (Abkürzung für „there is no alternative“) wurde zum Totschlagargument aller Neoliberalen und ist auch heute noch aus keiner Talkshow wegzudenken. Auch die Kanzlerin macht davon Gebrauch, doch seit Ausbruch der Finanzkrise geht es TINA immer schlechter, und heute sind wir zum Glück wieder an einem Punkt, da Alternativen nicht mehr nur gedacht, sondern im Kleinen auch schon gelebt werden. 
In Anbetracht der sich zuspitzenden Krisenfaktoren – Finanzkrise, Krise der Industriegesellschaft, Ressourcenkrise und Klimakrise – sind Alternativmodelle und Visionen von ökologisch und sozial ausgeglichenen Gesellschaften wichtiger denn je. Aufgegriffen wurde diese Suche auch vom Verein Helle Panke – Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin in einer Veranstaltung Ende Mai diesen Jahres. Kürzlich sind nun unter dem Titel „Rote Projekte für den grünen Umbau“ drei Beiträge dieser Konferenz veröffentlicht worden. Die Autoren Frank Adler, Detlef Bimboes und Hans Thie gehen dabei unterschiedlich an das Thema heran:
Frank Adler präsentiert einen Überblick über die unterschiedlichen grünen Transformationsmodelle. Er zeigt anhand von 11 Beispielen, wie breit das Spektrum der ökologisch orientierten Theoretiker und Aktivisten ist, und stellt deren Ansätze vor, die vom radikalen Antikapitalismus bis zum sehr realpolitischen „Green New Deal“ reichen. Adler stellt sich dabei auf keine Seite, sondern setzt auf den Diskurs zwischen den Akteuren „als geistiges und praktisches Labor“, wobei die Geschichte offen sei.
Im Beitrag von Detlef Bimboes geht es darum, wie eine Welt von Morgen aussehen könnte, in der ein Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur hergestellt ist. Er hält wenig von den reinen Glücksversprechen grüner Technologien einerseits und von Forderungen nach (Zwangs-)Askese andererseits. Vielmehr entwirft er ein utopisches Zukunftsbild, das als realisierbares Fernziel dienen soll. Er zeichnet eine Gesellschaft, in der die Widersprüche zwischen Mensch und Natur überwunden sind. Bimboes‘ Konzept vom Übergang zu dieser Gesellschaft wirkt etwas zu idealistisch, potentielle Widersprüche werden von ihm ausgeklammert, sollten aber unbedingt diskutiert werden.
Konkreter beschäftigt sich mit dem Übergang zu einem ökologischen und demokratischen Sozialismus Hans Thie. Er hat dabei insbesondere DIE LINKE vor Augen, der er nahe legt, sich nicht zu einseitig auf die soziale Frage festzulegen und den Bündnisgrünen die Ökologie zu überlassen. Es sei verkehrt, nur den „Green New Deal“ sozial flankieren zu wollen. Vielmehr sollte die Partei Ökologie und soziale Gerechtigkeit zusammen denken, da es heute und viel mehr noch in Zukunft einen untrennbaren Zusammenhang dazwischen gebe.
Alle drei Beiträge zeigen auf, dass es verkehrt ist, das Thema Umwelt der grünen Partei zu überlassen und den Sozialismus der Zukunft ohne die Berücksichtigung ökologischer Faktoren zu konzipieren.