Rezension zu Wolfgang Harich: Schriften aus dem Nachlass, Frühe Schriften

Wolfgang Harich: Schriften aus dem Nachlass, Frühe Schriften Bd. 1.1 (Neuaufbau im zerstörten Berlin), 1.2 (Von der „Täglichen Rundschau“ zu Herder) und 1.3 (Der Weg zu einem modernen Marxismus), hrsg. u. kommentiert v. Andreas Heyer, Tectum Verlag, Marburg 2016, 2016 u. 2018, zus. 2203 S.

Erschienen in: Arbeit – Bewegung – Geschichte. Zeitschrift für historische Studien 2020/III, S. 156–159

Auf 16 Bücher ist der Editionsplan zu Wolfgang Harichs „Nachgelassenen Schriften“ bereits angewachsen, untergebracht in 19 (Teil)Bänden. Was den Gesamtumfang der Werkausgabe betrifft, so ist der unangepasste DDR-Bürger Harich damit Spitzenreiter unter den für die frühe DDR bedeutendsten marxistischen Philosophen. Bloch und Lukács hat er längst überholt. Für die Herausgabe der Schriften dieser beiden linken Großdenker war in den 1950-er Jahren übrigens Harich der verantwortliche Lektor und Betreuer beim Ost-Berliner Aufbau Verlag. Für den1923 in Königsberg geborenen Harich war dies eine Degradierung, weil er wegen Kritik an der Kultur- und Medienpolitik der DDR 1954 seine Professur an der Humboldt-Universität hatte abgeben müssen. Zum Verhältnis zwischen Harich und Lukács ist mit Band 9 der Nachlassreihe ein eigenes umfangreiches Buch erschienen. Im Folgenden wird es um die jüngst mit dem dritten Teilband abgeschlossenen „Frühen Schriften“ Harichs in Band 1.1 bis 1.3 gehen.
Allein die Inhaltsverzeichnisse der drei Bände wiederzugeben, würde bereits den Rahmen dieser Rezension sprengen. Was im Folgenden besprochen wird, gibt also nur einen groben Einblick in diese umfassende Materialsammlung. Der Herausgeber stellt den Lesern neben bekannten Texten viele unveröffentlichte Schriften erstmals zur Verfügung, zudem hat er akribisch Zeitungsartikel aus den 40-er Jahren aus Archiven zusammengetragen. Nicht nur Harich-Kenner werden hier fündig, sondern auch all jene, die sich für die geistige und kulturelle Lage im Nachkriegsdeutschland interessieren. Harichs Texte sind die eines ambitionierten Feuilletonisten und begabten jungen Philosophen. Als Zeitzeuge kommentiert er die Gründe für den sich schließenden Eisernen Vorhang. Die Perspektive ist jene eines Kommunisten, der damals in Stalin und dessen Sowjetunion die Befreier und im Westen den Klassenfeind sieht, mit dem es sich auch inhaltlich auseinanderzusetzen gelte. Allerdings sinkt Harich selten auf das Niveau eines Vulgärmarxisten herab, sondern er arbeitet sich konkret am Gegner ab. – Etwas, das viele „Kaderphilosophen“ in späteren Jahren nicht tun werden. … Weiterlesen