Ökologische Planwirtschaft bei Harich, Bahro, Havemann – und Malm

Inga Jacobsen & Alexander Amberger: Ökologische Planwirtschaft bei Harich, Bahro, Havemann — und Malm, in: Timo Daum & Sabine Nuss (Hrsg.): Die unsichtbare Hand des Plans. Koordination und Kalkül im digitalen Kapitalismus, Karl Dietz Verlag Berlin, S. 76–90.

LESEPROBE:

I
Auf die ökologischen Folgeschäden ungebremsten wirtschaftlichen Wachstums hinzuweisen ist kein neues Phänomen. Bereits im 18. Jahrhundert plädierte Hans Carl von Carlowitz in der »Sylvicultura oeconomica« für ein verantwortungsvolles Handeln in der Forstwirtschaft, um den Raubbau in den Wäldern einzudämmen. Im 19. Jahrhundert finden sich dann kapitalismuskritische ökologische Mahnungen sowohl bei Marx und Engels als auch in modernisierungskritischen Utopien wie »Walden« von Henry David Thoreau (1854) oder William Morris’ »Kunde von Nirgendwo« (1890).
Ab den 1960er-Jahren rückte die ökologische Frage erneut ins Zentrum internationaler Debatten. Während im Westen der Aspekt des Wachstums diskutiert wurde, behandelte man das Thema in der DDR als Nebenwiderspruch bzw. Problem des Imperialismus. Dort hatte Walter Ulbricht bereits in den 1950er-Jahren den Leitgedanken vom »Überholen, ohne einzuholen« geprägt, einen Wachstumskurs der SED, gegen den sich nun von links Widerstand regte. Die wichtigsten diesbezüglichen Kritiker und Vordenker eines ökologischen Marxismus waren Rudolf Bahro, Robert Havemann und Wolfgang Harich. Vieles von dem, was damals diskutiert wurde, erlebt in heutigen Klimadebatten eine Renaissance. Wachstumsprobleme werden zunehmend wieder mit kapitalistischer Produktionsweise kontextualisiert.
Im wachstumskritischen Diskurs ist neben Naomi Kleins Standardwerk »Kapitalismus vs. Klima« insbesondere Andreas Malm erwähnenswert, dessen Forderung nach einem »Öko-Leninismus« stark an Harichs Utopie erinnert. Malm fordert in seinem Buch »Fossil Capital« eine schnelle und radikale Energiewende, die nur durch grenzüberschreitende Planung und Koordination zu erreichen sei. Mit Bezug auf Anthony Giddens – wahrlich kein Marxist – sieht Malm keine Alternative zu einer planwirtschaftlich organisierten Energiepolitik.

Energiewende durch Planwirtschaft
In seinem Buch zeichnet Malm die Geschichte des fossilen Industriezeitalters seit dem Aufstieg der Dampfkraft nach. Ähnlich wie Bahro verortet er den Beginn der industriellen Umweltzerstörung im ausgehenden 18. Jahrhundert, verbunden mit der Erfindung der Dampfmaschine und dem Aufstieg des Bürgertums. Über zwei Jahrhunderte industrieller Produktionsweise haben nicht nur das Kapital akkumulieren lassen, sondern auch die umweltschädlichen Emissionen, deren Auswirkungen noch die Enkelgenerationen spüren werden. Analog zu Bahro, Harich und Havemann verwehrt sich Malm gegen die im Begriff »Anthropozän« enthaltene Erzählung, dass »die Menschheit« an der Umweltzerstörung schuld sei. Schließlich habe es vor dem Kapitalismus auch schon Menschen gegeben, das Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur sei damals aber kaum gestört worden – obwohl fossile Energieträger bereits genutzt wurden. Mit Erfindung der Dampfmaschine setzte der Siegeszug der weißen Männer aus den Industriestaaten ein, die bis heute die Hauptprofiteure und auch die Hauptschuldigen seien. So wuchs von 1820 bis 2010 die Weltbevölkerung um den Faktor 6,6 – die CO2-Emissionen jedoch um das 654-Fache.

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