Bahro – Harich – Havemann

Natalie Wohlleben, Rezension zu: Alexander Amberger: Bahro – Harich – Havemann. Paderborn u. a.: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft

Diss. Halle‑Wittenberg; Begutachtung: R. Saage, M. Kaufmann. – Als 1972 der „Club of Rome“‑Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ erschien, löste er eine wachstumskritische Schockwelle nicht nur in den westlichen Industriestaaten aus. Die bereits begonnene Zerstörung der Umwelt, die doch die wichtigste Grundlage menschlichen Lebens darstellt, sollte auch Kritiker in den sozialistischen Staaten beschäftigten: Auch und gerade dort war der Raubbau an der Natur nicht zu übersehen. In diesem Kontext stehen die drei utopischen Schriften, denen diese Dissertation gewidmet ist: der Interviewband „Kommunismus ohne Wachstum? Babeuf und der ‚Club of Rome‘“ von Wolfgang Harich (1975), die Analyse „Die Alternative. Zur Kritik des real existierenden Sozialismus“ von Rudolf Bahro (1977) sowie der Roman „Morgen. Die Industriegesellschaft am Scheideweg“ von Robert Havemann (1980). Damit stellt Alexander Amberger die drei wichtigsten „marxistischen Oppositionellen“ (12), so die in sich durchaus widersprüchliche Zuschreibung, der DDR in den Mittelpunkt. Seine Studie steht dabei an der Schnittstelle zwischen dem oben genannten internationalen Ökologie‑ und Postwachstumsdiskurs, den Eigenheiten des SED‑Regimes und der Geschichte der politischen Utopie. Wie sein Doktorvater Richard Saage verankert Amberger den Utopie‑Begriff und die sich daraus ableitenden Kriterien bei Thomas Morus, Utopien werden als „‚Fiktionen innerweltlicher Gesellschaften‘“ (17) verstanden, die sich durch präzise Kritik und den Entwurf einer Alternative auszeichnen. Das Bemerkenswerte an den drei Schriften ist, dass Harich, Bahro und Havemann trotz grundsätzlicher Treue zur DDR überhaupt die Form der Utopie für ihre Kritik wählten – der Marxismus lehnt die Utopie als unwissenschaftlich ab. Er beraubte sich damit, wie Amberger hervorhebt, „um ein wichtiges progressives Element“ (18). Und tatsächlich zeigt sich in den Einzelanalysen, in denen nicht nur der utopische Gehalt der jeweiligen Schrift herausgearbeitet, sondern auch die Werkgeschichte mit der Biografie des Autors und der Rezeption in Ost wie West verknüpft wird, dass die Machtstrukturen in der DDR völlig erstarrt und die Herrschenden für jede noch so gut gemeinte kritische Reflexion unzugänglich waren. Mit dieser Analyse bereichert Amberger insgesamt die Geschichte der politischen Utopie um eine spezifisch (ost‑)deutsche und marxistische Facette, wobei er den ökodiktatorischen Lösungsansätzen Harichs, Bahros und Havemanns in Anbetracht des gesamten Postwachstumsdiskurses bescheinigt, „anachronistisch und hochaktuell zugleich“ (301) zu sein.

Natalie Wohlleben, Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.